ZEITSCHRIFT NESTWERK

Mein Leben geht weiter

 

Mein Leben war eigentlich am Ende. Mit größten Verbrennungen kam ich über eine andere Klinik nach München.

Erstmals mein Gesicht im Spiegel. Was ist mit mir passiert? Ich war fertig, mich im Spiegel so zu sehen.

 

Ich konnt' nimmer hinschau'n, musste mich niederlegen. Das war Monate nach dem Ereignis. Ein Schlauch in der Nase, Menschen nur mit Mundschutz. Ich wollte nur wieder einmal mein Gesicht sehen, und dann... Vorher: Das Gesicht hinter einer Druckbandage, Tag und Nacht. Ebenso Druckbandagen an Händen und Armen. Ab und zu musste ich die Armbandage einfach verstecken. Es war zu viel.

So schwierig der Weg nach Hause. Ist die alte Heizung noch da? Das Haus ist eingerüstet. Die schwarzen Brandflecken. Bitte lass die Tür zum Schlafzimmer offen! Nicht einsperren!

Und dann die Schule. Gut, dass meine Schulklasse mich besuchte: die ganze Klasse, alle waren da, und ich war wieder dabei. Die Klasse, die Schule hat mich angenommen. Ich konnte weiterleben. "Du Nichtsnutz, du verbranntes Kartoffelgesicht!" - so etwas gab es in meiner Klasse nicht.

Körperliches und seelisches Elend in der Weihnachtszeit. Doch dort, wo nichts mehr zu erwarten war, kamen oft spontane Hilfen.

Wie sollte es mit mir überhaupt weitergehen? Führerschein, Beruf... Im Arbeitsamt nach einem Reaktionstest, ich war so langsam: "Wir haben keinen Beruf für Sie. Schauen Sie sich bei Behindertenwerkstätten um!" - "Nein, lieber bringe ich mich um!" Eine Berufsvorbereitungsschule zeigt mir jetzt: das Leben geht weiter. Ich brauch' mich nicht umzubringen. Ich habe schon so viel geschafft! Neue Wege zeigen sich, Freiheit, auch Spaß, Gaudi. Hoffentlich finde ich meinen Beruf!

Hauttransplantation! Egal wie schwer - mein Gesicht sollte wieder werden! Und es wurde schwer. Doch der Arzt ist zufrieden, und der Spiegel bestätigt es. Neue Hoffnung! Alle meine bösen Stimmen müssen verstummen. Jetzt habe ich mein Leben wieder!

Ja, es gibt weit Schlimmeres. Dies ist mein Teil. Mein Leben ging weiter. Ich bin damit zufrieden. Doch immer wieder dieses Bild, mein schlimmstes: Das brennende Styropor tropft von der Decke, auf mich, dann war ich weg. Mein Schlimmstes: Ich hab lichterloh gebrannt.

Viele Brücken von vielen Menschen halfen mir. Mitten auf dem Weg dann ein schwerer Rückschlag. Es ist eine steile Treppe, die nach oben führt: ich geh sie behutsam, stolpernd, langsam, mit viel Geduld.

Die Seele ist das Wichtigste.

Andreas Mäder

Zurück zur Zeitschrift Nestwerk