Michael Först

Sich bei seinem Leben packen lassen

Die "Vierte" Kirche

In der "Vierten" Kirche finden sich die Menschen, die aus menschlichen Gründen zu christlichen Werten gekommen sind, diese aber nicht mit Kirche oder Christentum verbinden, die sie kaum oder nicht erlebt haben. Hier finde ich gute Bekannte und Freunde, Menschen, die gewaltfrei leben, sich anprangern lassen, belächelt und disqualifiziert werden.

Sie setzen ihre Zukunft auf's Spiel. Sie haben keine Aussicht mehr, in Staatsdiensten ihre Qualitäten und Beiträge für ein christliches Volk einzusetzen. Demonstrationen, ihr öffentliches Bekenntnis, hat sie aktenkundig gemacht, ihnen ein Kainsmal aufgezeichnet. Doch sie spüren weiterhin die gültigen Aussagen der Seligpreisungen, die Jesus seinen Jüngern in dieser Welt für unsere Erde gegeben hat.

Erschütternd wirkt bei dieser Erfahrung die Meinung vieler, mit der Bergpredigt sei kein Land zu regieren, und es sei keine Welt aufzubauen mit dem christlichen Hauptgebot, der Liebe. Die suchenden Menschen lassen sich jedoch nicht auf eine jenseitige Welt vertrösten, sondern versuchen jetzt bewußt zu leben, im Heute. Sie halten Ausschau nach Gleichgesinnten, nach ähnlich Orientierten. Von der Kirche reden sie nicht, denn sie haben keine Frohbotschaft gehört. Kirche, wo ist sie?!

Warum mischen sich die Glaubenden nicht unter die Demonstranten? Warum stehen sie nicht zu ihrem Glauben? Warum werden die paar wenigen, die es aussprechen, gleich in die gefährliche Ecke gedrängt, abgestempelt, verurteilt?

Die Vierte Kirche, Menschen aus allen Schichten und Altersgruppen, gehören zu meinen Schwestern und Brüdern, zu denen, die vom Himmelreich, vom Reich Gottes wissen sollen, träumen dürfen, darauf hoffen können und Betroffene erleben sollen. Ich denke da an einen Punker, der von seiner rosaroten Ratte erzählt, oder an einen jungen Menschen, der in einer Jugendreligion sein Heil gefunden hat. Die Tränen seiner Eltern, tief gläubig, sehe ich noch lange.

Und ich frage mich: Warum konnte er dieses Heil nicht auch in der Kirche finden? Muß die Vierte Kirche die vorausgehenden neu beleben? Ist der Mensch nicht ausgezeichnet, mit Blut und Tränen, mit Ahnung und Geist, die Welt mitzugestalten? Das Lächeln eines Kindes, die weggewischte Träne: Ist nicht Jesus diesen menschlichen Weg gegangen? Hat er uns nicht die geschwisterliche Möglichkeit gebracht? Meine Türen sind deine Türen! Komm und sieh! Jeder Mensch durchbricht mit seiner Seele die Schallmauer von Vernunft, Medizin und Psychologie, das Gesetz der Entropie, der Vergänglichkeit.

Die Vierte Kirche ist mein Ausblick und die Hoffnung auf eine sich erneuernde Kirche, weil sich diese Menschen vom Leid der Welt treffen lassen, sich nicht in eine erstarrte, tote Sicherheit flüchten, sondern sich selbst im Ringen mit Gott auf's Spiel setzen.

 
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